Elser
Stück in elf Szenen und zwölf Zwischenauftritten
(2006)
Mutter
Szene 1: Bei de Arbeiter isch e Wut da
Elsa
Szene 2: Betriebsversammlung
Mädchen
Szene 3: Es wäre schön
Dame von der Marketingabteilung
Szene 4: Invalidenheim
Aktivistin der Bürgergruppe
Szene 5: Die machet nix
Quizkandidat
Szene 6: Die Bombe
Hausmeister im Bürgerbräukeller
Szene 7: Im Saal
Zimmerwirtin
Szene 8: Magst mi?
Elsa
Szene 9: Tanz
Explosion
Kommissar
Szene 10: Verhör
Schnellbrief
Szene 11: Traum
„Den Hitler bring i um!" Wer war der einsame Attentäter, der im November 1939 mit seinem Bombenanschlag auf den Führer das Schreckensregime der Nazis beenden wollte? Was brachte den einzelgängerischen Schreiner von der Ostalb zum Entschluss, im Münchner Bürgerbräukeller die Spitze des diktatorischen Regimes in die Luft zu jagen? Und was wäre passiert, wenn es geklappt hätte? Viele Spuren hat Georg Elser nicht hinterlassen und auch nach dem Krieg war er zunächst lange in Vergessenheit geraten.
Hartmut Danneck schafft in seinem Stück „Elser" ein dichtes Psychogramm des konsequenten Gegners der NS-Diktatur. Dazu begleitet er Begegnungen des verschlossenen Tüftlers in den letzten Wochen vor dem Anschlag. Im Gespräch mit Freunden, Familie und Wirtshausbekanntschaften verfestigt sich der Plan Elsers. Seine Sprache ist das Schwäbische, nicht sprudelnd geschwätzig, sondern vielmehr mit knorriger Zähigkeit. Oftmals ereignet sich Wichtiges, wenn die Menschen verstummen - Danneck gebraucht virtuos den Dialekt fern der Mundartseligkeit. Eine zweite Ebene mit Auftritten von Zeitzeugen, Dokumenten, Beteiligten und Unbeteiligten öffnet Perspektiven auf den mutigen und eigenwilligen Widerstandskämpfer und seine Tat weit über den Bühnenraum hinaus bis ins Heute. Dieser intelligente Kniff birgt auch inszenatorisch vielfältige Möglichkeiten. Danneck gelingt eine spannende, aufklärerische Sicht auf einen lange beinahe vergessenen schwäbischen Helden der deutschen Geschichte. Das Stück ist personen- und bildreich genug, dass es auf großer Bühne und im Freien gespielt werden kann. Es ist aber auch leicht auf wenige Mitspieler zu kürzen, um in der Enge des Kammertheaters zu überzeugen." Silberburg-Verlag Tübingen
Besprechungen:
"Unglaublich gut. Sehr gut ist das Karge, auch die fantastischen Teile und der Schluss." Prof. Dr. Christoph Nix (Intendant Theater Konstanz)
"Ein sehr gutes, stimmiges Stück, das unbedingt förderungswürdig ist und auch für eine Verfilmung geeignet wäre." Manfred Maier (Georg-Elser-Arbeitskreis Heidenheim)
"Hier ist eine einfühlsame und stringente Beschreibung dieses herausragenden Mannes gelungen." Tina Brüggemann (Intendanz Zimmertheater Rottweil)
"'Elser' ist ein subtiles, sehr schönes Stück mit starken Szenen." (Dr. Hella Schlumberger, Georg-Elser-Initiative München)
Textauszüge:
Zwischenauftritt: Mutter
War mein Ältester …
Lange Stille.
De Schorsch … e ruhigs Kind, still … viel für sich, en Schaffer … aber s’hat ihn nirgends lang ghalte, am End hat er nix mehr mit uns gredet … mit seim Vater isch’s net gut gange, zwei Dickköpf…
Stille.
Das kannsch net verstehe, wie der auf so was kommt, unsere Familie isch nie politisch gwäe, au die Verwandte sind rechte Leut gwäe, do isch nie nix vorkomme, nix Politischs, und denn so was … vielleicht sind mir zwenig in die Kirch gange, de Schorsch isch net fromm gwäe, alle die Fraue do, des Rummache…die Menscher … Alimente allweil … (weint kurz) des isch ja des Schlimmste von allem.
Stille.
Und dann die Schande, die Gestapo isch komme, in ganz Königsbronn habe sie es rumerzählt und mir sind dagstande … im ganze Land, wo du hinkomme bisch, habe sie mit Finger auf dich zeigt, die von Attentatshause sind mir gwäe …
Des war halt so … nach all dem Schaffe und Krampfe jahrelang, mein Mann mit seim Suff und seine Schläg … spare … nur de Dreck unter de Fingernägel und die Schmerze im Kreuz … und das tote Kind …
Und denn des …
De Schorsch, er war mein Sohn, des isch ja wahr, so e schmächtigs Bürschle, so klein, aber trotzdem … es isch schon hart.
Szene 1
Bei de Arbeiter isch e Wut da
Bastelraum im Keller, Werkbank. Elser bei Holzarbeiten, konzentriert, bedächtig.
Stille.
Elser pfeift langsam und bruchstücksweise "Bin i net e Bürschle".
Stille.
Elser tritt immer wieder von der Werkbank zurück, schaut prüfend, schmirgelt nochmals usw.
Klopfen.
STIMME: I bins, de Eugen!
ELSER: Komm rein!
Eugen kommt, setzt sich.
EUGEN: Saubere Arbeit, Schorsch.
Stille.
EUGEN: Kommsch auf e Bier mit in Hirsche?
ELSER: E andermol ... Des muss fertig werde, des will i net so liegelasse.
EUGEN: Immer no de Alte ... De Grupp hat mi neulich gfragt, me tät die so selte sehe, ob du net wieder bei ihm in die Schreinerei kommsch ... So en gute Handwerker hat er nimmer gfunde ... sell Schlagzimmer ... ein Künstler isch de Elser und schaffig und nemmts gnau, hat er gsagt.
Elser: D'Leut rede viel. I hab mei Stell.
EUGEN: Hab i nie verstande, warum du als Kunstschreiner dort hin gange bisch ... Armaturenwerk Heidenheim ... so lang Hilfsarbeiter im Dreck von dere Gussputzerei und dann Versandabteilung, des isch doch nix für dich.
ELSER: S'isch scho recht.
Stille.
ELSER: Eugen lass me ... vielleicht bin i au nemme lang dort ... d'Arbeit isch dort scho recht.
Stille.
Klopfen.
ELSER: Was isch?
MUTTER kommt mit Seeliger: Georg, de Herr Seeliger vom Winterhilfswerk will zu dir.
SEELIGER: Heil Hitler!
Eugen verabschiedet sich von Elser durch eine Gebärde und geht schnell. Elser grüßt im Abwenden unverständlich.
SEELIGER: Na, wie gehts denn allweil, Herr Elser, scho lang nix mehr ghört vonenand (blickt sich um) Des isch also Ihr Reich, do kommet die Sache her, die man so lobe hört. Na i komm, weil ... sisch mal wieder so weit. S'Winterhilfswerk isch durch den Führer wieder eröffnet worde. Kampf gegen Hunger und Kälte, do darf sich niemand ausschließe aus der Front der Volksgemeinschaft. Wie viel kann ich eintrage?
ELSER: Herr Seeliger, ich hab schon zahlt. Vom Lohn wird ja die Spende alle Arbeiter vom Lohn abzoge, des isch's Neuste, der Vereinfachung halber, wie sich des heißt. Wer sich da weigert, dem drohe sie mit Entlassung.
SEELIGER: Des isch au Recht so, mir wolle dene ja nicht ihr volksschädliches Treibe durchgehe lasse. Mir sammlet zusätzlich. De Führer vertraut ebe auf die Volksgenosse, auf ihre Spendenfreudigkeit.
ELSER: Lohnabzug, Winterhilfe, HJ-Sammlung, DAF-Sammlung und immer reichst noch nicht. Des isch ... Herr Seeliger, i muss des mal sage, des isch ... eine Dauerbettelei. Neulich im Hirsche sind zwei komme mit de Büchs. E ganze Stund sind sie von einem Tisch zum andere, an einem Tisch sind sie e Viertelstund standebliebe, habe sich die Abzeiche zeige lasse, net locker lasse. Des isch e Belästigung.
SEELIGER: Herr Elser, ich muss ...
ELSER: Und wo bleibet denn die ganze Gelder? Wisset Sie net, dass überall gredet wir, wie des Geld in die Rüstung gsteckt wird oder ... an dene Finger von de Bonze klebe bleibt?
SEELIGER: Schluss jetzt, des sind ja unerhörte Rede!
MUTTER: Schorsch, i bitt di, sei still!
ELSER: Still ... emol isch man net mehr still, zu lang isch man still. Herr Seeliger, ich weiß, dass sie net zu dene Scharfmacher ghöre, Sie habet hier bloß e Amt. Aber i muss es mol sage: Ihre Obere regieret gege die einfache Leut. De Arbeiter soll s'Maul halte, schaffe und zahle ... und net nachdenke und nachrechne. De Arbeiter isch de Dumme heut. 1929 hab i in Konstanz in de Uhrenfabrik Abzüg ghabt von 5 Mark in der Woch, heut verdien i halb so viel und zahl gleich viel Steuer, Krankekasse und all des. Rüstung und de Lohn drücke ... bei de Arbeiter isch e Wut da, Herr Seeliger, verstend Sie des?
SEELIGER: Herr Elser, wenn i des weitergeb ... des sind staatsfeindliche Äußerungen, des isch Hetze!
ELSER (laut): Habet Sie mich verstande, gehe Sie, i spend nix, des fällt mir net ein!
SEELIGER (tritt auf ihn zu): Elser, du spinnsch ja!
ELSER: Net anfasse, Sie ... So rede Sie hier? Sie sind hier in meinem Zimmer, da ... entschuldigen Sie, da ... bin ich der Herr und ich sag Ihne: Dort isch die Tür!
Mutter weint.
SEELIGER: Wenn ich Sie net kenne würd, Frau Elser ... Heil Hitler!
Geht.
Elser klappt hinter ihm die Tür zu.
Stille.
Elser lehnt sich erschöpft an die Wand, Hände am Kopf. Mutter weint.
Zwischenauftritt: Elsa
Er war anders als die andere. Keine große Gosch in de Wirtschaft, keine Saufereie ... ein lieber Mensch, au wenn er's oft net so hat zeige könne ... still ... Wenn er dacht hat, es geht ungerecht zu, isch er wild worde. Manchmal isch er aus sich rausgange, bei Leut, zu dene er Vertraue ghabt hat.
Stille.
Ich hab ihn gmocht, arg.
Stille
Er hat die Musik ghabt, sie war viel für ihn, sei Zither, die Ziehharmonika, dann de Bass, den hat er so schnell glernt. Do konnt er sich ausdrücke .. au zeichne konnt er.
Stille.
Er isch von mir gange. Am End nur noch die Postkarte aus Münche ... ich hab's net verstande. I hab mi gfragt, ob er e andere hat, aber des war's net. I hab ihm gschriebe, gfragt, wie es sei und überhaupt ... keine Antwort mehr ... des war bitter ... da isch was ... abgstorbe in mir.
Szene 4:
Invalidenheim
Halbdunkel, Lichtpunkt an einer Stelle. Frau Dr. van Büren in weißem Anstaltskleid und hochgesteckter Frisur führt Elser herein.
ELSER: Ich bleib net lang. Wie geht's meinem Onkel?
VAN BÜREN: Junger Mann, Ihr Onkel gehört zu den Insassen unseres Samariter-Invalidenheims, die uns wenig Sorgen machen. Nie krank, äußerst robust, den wirft so schnell nichts um, geradezu beneidenswert rüstig, immer in Bewegung, kein mürrisches Abkapseln, kein Dahindämmern. (ruft ins Dunkel) Hallo, Besuch! (zu Elser) Das ist schön, dass Sie kommen. Sie rufen dann.
Ab.
KARL (robbt heran, singt, summt, halb gesprochen, fast unverständlich): Gardeducorps ... Gardeducorps ... schneid'gen Attacken ... ja, das sind die schneid'gen Attacken, der Jungens vom Gardeducorps ...
ELSER: Onkel Karl!
Karl horcht.
ELSER: I bin's, de Elserschorsch.
KARL: Psst! (horcht um sich) Leg di na! (kriecht auf ihn zu, betastet ihn, leise) Georg, warum kommsch du in Krieg?
Elser: Wollt die bsuche.
KARL (hält ihm den Mund zu): Still, hab i gsagt ... im Feld musch still sei ... kein Laut. Siehsch net die Leuchtkugle drübe überm Wald ... jetzt schieße sie wieder ... S'hört net auf, s'dröhnt. Vorarbeite, langsam vorarbeite, unterm Stacheldraht durch ... da isch mei Leutnant.
ELSER (leise): Onkel, des isch lang her, hier im Invalideheim isch kein Krieg mehr.
KARL (böse): Halt's Maul, sonsch schlag i dir d'Läuf ei (packt ihn, wälzt sich auf ihn) Verrot mi net, mei Arm isch ab, meine Auge sind ... aber ... muss mi vorarbeite, so kann i net heimkomme (wälzt sich weg auf den Rücken)
Stille.
KARL: I hör de Krieg zurückkomme, sie trommle wieder, i ... bin dabei (leise) s'brennt in meim Arm, s'isch e Hurefeuer, aber i ... muss es verbeisse...
ELSER: I komm von Königsbronn ...
Stille.
KARL: Hurefeuer ... Königsbronn ... D'Margret will mi net mehr, mit meim Arm und meine Glasauge ...
ELSER (verblüfft): D'Margret vo Reute?
Stille.
Die isch doch scho lang ...
Karl horcht.
ELSER: Scho lang ...
KARL (packt Elser an der Gurgel): Scho lang? Du lügsch, du ...
Gerangel.
KARL: Nix weisch du, du ... I bin dabei, i arbeit mi vor, und dann komm i zruck, zur Margret ... und sie streicht über meine (laut) Auge, glaubsch des, du Lomp?! (drückt Elser fester) Sag was!
ELSER (stockend): Über deine ... Auge .. und denn siehsch du sie ... ihre weiche Haar und ... so en Schimmer um sie rom ... so en ganz bsondere ... und denn ...
Karl lässt los, horcht.
ELSER (im Fluss): ... dann strecksch deine Ärm und dann packsch sie und sie isch dei ... Schätzle, dei ... herztausigs ...
KARL (betastet Elser): Tausigsschätzle, mit de Ärm, gsunde Ärm, elles dra .. i komm, Schätzle, i bin dein Karl ... sie trommle ... vorarbeite ... da rüber müsse mer, Befehl vom ... jawoll, Herr Leutnant, Angriff, Herr Leutnant (fällt seitlich, robbt ziellos ins Dunkel, stoßweise) Jungens ... vom Garde ... ducorps ... schneid ... schneid'gen Attacken ... schneid ... schneid'gen Attacken ...
Stille.
Elser hält sich die Ohren zu. Schnell zur Tür, ruft nach van Büren. Van Büren kommt, ordnet langsam ihr Kleid.
VAN Büren: Na, das ging ja schnell.
ELSER: Frau Doktor, das isch ja furchtbar, der glaubt no ... der glaubt, de Krieg ging wieder los, freut sich drauf.
VAN BÜREN (lächelt): Sie sind das hier nicht gewohnt. Wir haben hier ganz andere Fälle, den mit dem halben Gesicht, den ohne Beine, den, der sich jede Nacht das Gesicht blutig kratzt, seit dreiundzwanzig Jahren, seit Verdun.
Stille.
VAN BÜREN: Ihrem Onkel geht’s ver-hält-nis-mäßig gut, seine Kriegsideen sind stärker als früher, das stimmt. Aber … Krieg ist nun mal ein Glied in Gottes Weltordnung, leider.
ELSER: Krieg, des heißt aber doch Millione unschuldige Opfer, Millione Krüppel. Ich bin ja, Frau Doktor, ich bin ja ein einfache Arbeiter, des wisset Sie ja, ich hab ja net die Bildung und des alles, ich hab au net die Bibel so glese wie Sie … aber ich denk mir, Krieg muss doch net sein, mein Onkel und all die andere, des derf doch net sein, des isch doch ein Unrecht. Des müsstet doch … grad Sie und die andere hohe Herre ausspreche, grad jetzt.
VAN BÜREN: Lieber Herr Elser, Ihre Skrupel in allen Ehren, Sie haben ja Recht, Krieg ist immer eine Geißel, aber über die Wege des Herrn sollten wir nicht rechten. Kopf hoch, nicht gejammert, Herr Elser!
ELSER: Jetzt sollet schon wieder die Junge ans Gewehr … man droht und prahlt mit der Macht … und schon wieder verdiene die Krupp und die … e goldene Nas. Des steht doch net, entschuldigen Sie, des steht doch net in de Bibel.
VAN BÜREN: Das klingt ja fatal, muss ich schon sagen, Herr Elser, gerade hier, wo Männer gepflegt werden, die für ihr Vaterland im Feld gestanden sind. Deutschland ringt um seine Freiheit, seine Ehre, heute wie 14/18, gegen eine Welt von Feinden. (leise) Elser, mir gefällt auch nicht alles heute. Aber das sind … Begleiterscheinungen. Wir dürfen unserer Führung nicht in den Arm fallen, das schwächt uns. Und ich sage Ihnen ganz offen, was ich glaube: Der Herrgott wird uns nicht verkommen lassen. Er ist uns eine gute Wehr und Waffen. Aber wir müssen unsre Pflicht tun. Jeder Schuss, der danebengeht, der nicht trifft, ist eine Sünde in den Augen unseres Herrgotts!
Stille.
ELSER: Ich glaub … hier isch net nur mein Onkel blind.
Elser geht.
Zwischenauftritt: Quizkandidat
Bin angemeldet als Quizkandidat, Thema Höllenmaschinen. Ich weiß, klingt makaber, aber … RTL hat Interesse signalisiert.
Thema Elsers Bombe. Faszinierende Sache. Echte Amateurleistung.
Echtes Liebhabergerät, überzeugende Performance in Radius und Wirkung, liebevolle Ausarbeitung im Detail, dabei mit einfachsten Materialien: Holzklötzchen, Spiralfeder, zylindrischer Hohlstab, Uhrgehäuse … und natürlich Gewehrpatronen. Kaliber 9 mm…
Ja, was soll ich sagen…
Elser? Technisches Talent, zweifellos, von Jugend an. War ne Herausforderung für ihn als Bastler. War unterfordert in seinen Jobs, immer diese Möbel, Kleiderschränke und all das. Und jetzt wuchs er an seinem Problem, wuchs über sich hinaus, letztlich.
Zur Sache: Erster Plan Uhrbewegung mit Hilfe eines Autowischermechanismus und einer Batterie mit der Zündung koppeln, Ziel: magnetische Aushebung des Anschlags, Vorschnellen des Eisenklotzes mit den Zündstiften. Verständlich?
Zweiter Plan: Spiralfeder lässt Holzklötzchen auf Bohrung mit Patronenhülse und Sprengkapsel auftreffen, Beschaffung von 250 Pressblättchen Schwarzpulver, 150 Sprengpatronen, mehr als 100 Sprengkapseln, Uhrwerk von der Villinger Firma Benzing.
Für Laien vielleicht zu kompliziert, nicht? Aber für den Kenner der Materie … faszinierend.
Zwischenauftritt: Hausmeister im Bürgerbräukeller
Ich war damals Hausmeister im Bürgerbräu, tadellose Zeugnisse, kannte das Haus wie meine Westentasche. Ich kann sagen, ich lebte für die Sache. Riesensaal, 1800 Plätze normal. Aber an jedem 8. November war's voll damals, 4000 Alte Kämpfer, Führerrede, ein Jubel, ein Gefühl, ergreifend. Wie in der Kirchn, nur schöner. Historischer Ort, 1923, Marsch uaf Berlin. Der Führer ... Hitler hat mir einmal die Hand gebn, persönlich. Man kann sagn, was man will, der Blick ... Ja nun, und in den leeren Saal hat er sich eingschlichn, wie ein Dieb, kein Gefühl für ... unerklärlich, der Mann, unsichtbar, wie ein Gespenst. Kommt im August 39 mit seinem Holzkoffer aus dem Württembergischen, quartiert sich als harmloser Handwerker und Erfinder bei bravn Leut ein ... kam ja alles raus ... setzt sich abends in die Wirtschaft vom Bräu, versteckt sich im Abort, lässt sich einschließen und huscht dann durch die Garderobe in den dunklen Saal, 30 bis 35 mal, der Haderlump, hoch auf die Galerie und zu der Säule, vor der immer der Führer gsprochn hat.
Hammer, Meißel, Bohrer, alles dabei, Taschenlampe abgedunkelt, und dann hat er a Höhlung ausgtemmt, streng nach Plan, mit Fotos, Skizzen (lacht bitter) ... ein schwäbischer Tüftler eben. Wenn die Toilettenspülung ging, alle 10 Minuten, hat er kräftig ghämmert. Der war so grissen, wir hatten praktisch keine Chance. Und verbohrt, fanatisch. Hat auf den Knien gearbeitet, bis sie gschwolln und blutig waren. Mörtelbrocken sorgfältig verpackt, Spuren verwischt. Ein Phantom. Der Halunke hat in die Vertäfelung von der Säule eine Tür eingebaut, mit Scharnier, akkurat, abends Tür auf, Arbeit, morgens Tür zu, Feierabend. Herrschaftzeiten. Und am Schluss die Bombe rein, Wecker gstellt und ab ... Und dann spaziert der einfach raus, wenn aufgschlossn worden is. Der hat so unauffällig ausgschaut, ein richtiger Massenmensch, das war das Teuflische an dem, an dem Individuum ... Dreht uns eine lange Nasn ... Was ich durchgmacht hab nachher, fast wär ich in Dachau glandet, wegen so einem verbrecherischen Element. Wollte den Wiederaufbau sabotieren. Hitler-Diktatur heißt man's, gut, es gab schon Auswüchs, aber ... s'hat alles zwei Seitn. Und was dann kam, Krieg und die Sache mit den Juden ... das hat ja niemand kommen sehen, oder? Konnt ja keiner kommen sehn. Und da kommt so einer daher ...
Szene 8
Magst mi?
Galerie, Tisch , leise Tanzmusik im Hintergrund
Elser am Tisch.
KELLNERIN (jung, hinkend): Guten Abend.
ELSER (horcht auf); I brauch nix mehr.
KELLNERIN: Ich hab scho Feierabend.
Stille.
KELLNERIN: Darf ich mich zu Ihnen setzen?
ELSER: I geh gleich.
KELLNERIN (setzt sich): Sie bleiben doch immer bis 10.
ELSER (verblüfft, fasst sich): Ich glaub, Sie verwechsle mich.
KELLNERIN: Und dann gehen Sie in die Garderobe und dann …
Elser steht auf.
KELLNERIN: … dann in den Saal … jeden Abend.
Elser setzt sich schwerfällig.
Stille.
ELSER: Was wollen Sie von mir?
KELLNERIN: Nur da sitzn. Mir tut das Bein so weh, da tut das Ausruhen gut. Ist noch früh.
ELSER: Was haben Sie da?
KELLNERIN: Ein Unfall, vor drei Jahren, mein Vater … als ich schwanger war. Interessiert Sie des?
Stille.
ELSER: Erzählet Sie.
KELLNERIN: Hat mi die Treppn runtergstoßen … du Saumensch, dein Bankert soll verreckn, mir san Christn und keine Kaffern. Bin i gangn.
Stille.
KELLNERIN: Der Fuß war hin … und s’Kind.
Stille.
ELSER: Des … tut mir leid … i muss jetzt gehe.
KELLNERIN (hält ihn am Arm): Bleib, denk an den Saal …
Stille.
ELSER: Die Art kenn i … die Pharisäer … i hab mal jemand kennt, e Frau … scho lang her, da hab i gwohnt, als Untermieter, der Mann hat sie gschlage, einmal hat er ihr des heiße Bügeleise auf d’Hand drückt, und dann in d’Kirch, Sonntagmorgen …
KELLNERIN: Und … die Frau … die haben Sie gmocht?
ELSER: Lang her.
KELLNERIN: Und jetzt sind Sie allein … und sitzen in Ihrer Kammer…
ELSER: I hab mei … Musik.
KELLNERIN: Trompete?
ELSER: Zither und …
KELLNERIN: Kannst singn?
Stille.
KELLNERIN: Sing mir was, du schaust so … i hab ein Metzgergsell kennt, der konnt nur schlachtn, wenn er gsungn hat. Sing was, du schaust so traurig, so wie ich … sing!
ELSER singt:
Mei Mutter mag mi net
Und kein Schatz han i net
Ei warum stirb i net
Was tu i do?
Ei warum stirb i net
Was tu i do?
KELLNERIN: Hör auf!
ELSER singt weiter:
Laßt die drei Rösle stehn
Die an dem Kreuzle blühn
Hänt ihr des Mädle kennt
Des drunter leit?
Hänt ihr des Mädle kennt
Des drunter leit?
KELLNERIN: Du Gscherter. Komm!
Sie zieht ihn hoch, führt ihn zum Tanz, er steif, sie hinkend, im Hintergrund weiter die Tanzmusik, leise.
Sie setzen sich, Kellnerin lehnt sich an Elser.
KELLNERIN (streicht in seinem Gesicht herum): Du hast mit einem Krüppel getanzt.
ELSER: Des macht nix.
KELLNERIN: Du musst ja. …Oder magst mi … ein bisserl? (legt ihm die Hand auf den Mund) Sei still, lüg nicht. Dafür red i.
Stille.
KELLNERIN: So helle Augen … und dein Gsang … bist anders …
ELSER: Und jetzt gehsch zum Chef und…erzählsch ihm des…?
Stille.
KELLNERIN: Der Chef is a Hund … a Nazibonzn … I weiß nix, i hab nie nix gsehn. I schwörs dir.
Stille.
KELLNERIN: Nimmst mi mit?
Stille.
ELSER: Vielleicht bald, s’geht net daheim.
KELLNERIN (küsst ihn): Still, du. I seh was, wenn i d’Augen zumach. Wir gehen ins Kammerl, Tür zu … ganz für uns, und du … bist mein Schatz, und meine …Tränen sind auf deine Augen und du schaust mi an aus deine hellen Augen, und dann gehn wir hinaus, an d’Isar und wandern weit hinaus, langsam, und d’Nacht is still.
Stille.
Kellnerin nimmt sich sein volles Glas, trinkt es aus, rückt von ihm ab, sitzt am Tisch, legt Kopf in die Hände auf dem Tisch.
Elser geht.
Zwischenszene: Explosion
Lautsprecher, Hitler-Rede, Beifall, Jubel, Siegheil-Rufe. Unterlegt: Ticken, lauter werdend. Abrupte Unterbrechung der Übertragung, Ticken weiter.
Stille.
LAUTSPRECHERSTIMME: Wunderbare Errettung des Führers. Eine verheerende Explosion im Bürgerbräukeller ereignete sich um 21.20 Uhr, zu einer Zeit, als der Führer früher als in vergangenen Jahren den Saal schon verlassen hatte. Wegen dringender Staatsgeschäfte bestieg er sofort nach seiner verkürzten Rede den Sonderzug nach Berlin. Man kann es nur als ein Wunder bezeichnen, dass der Führer diesem teuflischen Anschlag verbrecherischer Elemente entging. Acht Volksgenossen fielen der Wahnsinnstat zum Opfer, die zugleich ein Anschlag auf die Sicherheit des Reiches und auf alle Volksgenossen ist. Das terroristische Attentat, das in seinen Spuren auf ausländische Anstiftung hinweist, löste in München und im ganzen Reich sofort eine fanatische Empörung aus.
Zwischenszene: Schnellbrief vom Chef der Sicherheitspolizei in Berlin an den Kommandanten des Konzentrationslagers Dachau
Berlin, 5. April 1945
Wegen unseres besonderen Schutzhäftlings Elser wurde erneut an höchster Stelle Vortrag gehalten. Folgende Weisung ist ergangen: Bei einem der nächsten gegnerischen Luftangriffe auf München bzw. auf die Umgebung von Dachau ist angeblich Elser tödlich verunglückt. Ich bitte zu diesem Zweck, Elser in absolut unauffälliger Weise nach Eintritt einer solchen Situation zu liquidieren.
Ich bitte besorgt zu sein, dass darüber nur ganz wenigen Personen, die ganz besonders zu verpflichten sind, Kenntnis erhalten. Die Vollzugsanzeige hierüber an mich würde dann etwa lauten: Am … anlässlich des Terrorangriffs auf … wurde unter anderem der Schutzhäftling Elser tödlich verletzt.
Szene 11
Traum
Der alte Elser sitzt, bei ihm ein Kind.
ELSER: S'war knapp, in Konstanz, an dem Abend. Die Zöllner ... paar schnelle Schritte, wie ghetzt, und ich war auf Sxhweizer Bode. Die Zöllner schießet in d'Luft, aber ... ich war drüben. Die Verhaftung hab iuch genossen. Und dann die Zeitung: "Hitler tot'. ich hab gweint.
KIND: Aber ... hasch den selber umbracht?
ELSER Des war ein Tyrann.
KIND: Was isch ein Tyrann?
ELSER: Des isch ein gewalttätige Herrscher. Der sperrt alle ein, die gege ihn sind. Oder bringt sie um. Macht en Krieg. Der Mann war das Unglück Deutschlands ... ja, hab ihn umbracht.
KIND: Aber ... das darf man doch nicht.
Stille.
KIND: Wie … erzähl, wie isch des gange?
ELSER: Bombe, Sprengstoff,… zerfetzt …. Sie konnten ihn nimmer aufbahre, und auch die anderen … acht Menschen, die hab ich auf meinem Gewissen.
Stille.
ELSER: Manchmal bin ich erschrocke über mich selber. Wenn ich an der Werkbank gsesse bin und mit dene Sprengkapsle und dem Teufelszeug rumgmacht hab … da hab ich manchmal gmerkt, wie mir der kalte Schweiß auf der Stirn stand …. Ich hab meine Händ anguckt und hab mir gsagt, des sind die Händ vome Mörder, so sehe die also aus, und des ware meine Händ … Ich hab gwusst, ich bin e Mörder, aber ich hab dacht, einer muss e Mörder werde, e Verbrecher … einer muss den Wahnsinn aufhalte … und ich hab ghofft, dass ich weiterlebe kann, irgendswie, dass ich es trage kann, dass ich net zsammenbrech.
Stille.
Du hasch Recht, e Mord isch en Wahnsinn, aber in dem ganze Naziwahnsinn hab ich nix anderes mehr ghabt, hab ich dacht. Vielleicht hätts was anderes gebe, wenn ich besser nachdacht hätt.
Stille.
Die Gedanke hab ich mit mir rumgschleppt. Die ganze Jahre.
KIND: Du hasch doch en Orde kriegt.
ELSER (lacht): Später. Erst sind die unfähige Hitlernachfolger kommen, die ware wie … unter Schock. Der ganze Glaube, dass sie unverwundbar seie, war weg. Die habe sich gstritte, Machtkämpf, s’Volk isch unruhig worde. Und dann wurde die Partei gstürzt, abgschüttelt, Offiziere, e paar, aber wichtige, Gewerkschaftler, Antifaschiste habe’s gwagt, de Krieg beendet, endlich sind sie aufgwacht, e paar Herre obe und die Arbeiter unte. ‚Die Heldentat des Mannes aus dem Volk’, so isch’s in de Zeitunge gstande, von Freiburg bis Stettin, Königsberg habe mir ja abtrete müsse. Elserallee in Berlin, und die Königsbronner habe mich mit Eichelaub und Fähnle empfange. (lacht)
En milde Herbsttag war’s, s’Land hat gleuchtet, ich habs nimmer wieder kennt. Keine Hakekreuz mehr, die Nazibonze waren davongjagt, oder vor Gricht gstellt. Da war en neue Geist im Land. Man hat die einfache Leut nimmer wieder kennt, sie sind aufgwacht, sind erwachse worde, net alle, aber viele. Und des kann man net mehr austreibe, des bleibt. Und … denn bin ich in meine Dachkammer einzoge, grad zum Trotz, da, wo ich heut no wohn, hier.
KIND: Und der Krieg war aus?
ELSER: Der war aus. Polen war verbrannt, die arme Leut … eine Schande für Deutschland. Wenn er weitergange wär … Kann man sich des ausdenke? Andere Länder in Schutt, vielleicht sogar die deutsche Städte.
KIND: Denn hätt auch Stuttgart anders ausgsehe? Im Sommer sind wir durch die Straße gange mit dene schöne Häuser, die haben so lustige Sachen außen dran, so … gschmückt.
ELSER: Am Ende wären die Flieger komme, die Bombe wäre reingfalle, eigentlich ziemlich sicher, weisch. … Wieviel wäre tot gwese? In Polen sind Tausende gfalle, nachher vielleicht Hunderttausende oder eine Million oder …. gar so viel wie im Weltkrieg? Dein Vater und deine Mutter, de Werner drüben …d’Frau Zeller … Tante Elsa … vielleicht au …
Stille.
KIND: Wenn du net gwese wärsch.
ELSER (lacht bitter): Einer hat was mache müsse. Damals war’s ich, morge … bisch es du … hoffentlich … und … ohne Bombe.
Stille.
KIND: Gege die ... Tyranne?
Anmerkung: Die Lieder „Mei Mutter mag mi net“ und „Bin i net e Bürschle“ sind der Liedersammlung „Zupfgeigenhansel“ entnommen, die in den Zwanziger Jahren verbreitet war.